Das Geheimnis der Bibel
Einzigartig, rätselhaft, erschreckend fremd und wunderbar klar steht die Bibel uns gegenüber. Warum klingen ihre Worte manchmal so kindlich naiv, und dann wieder sind sie so schwer und so fern von allem, was uns interessiert? Wie ist es möglich, dass dieses wichtigste Buch der Welt in den Zeitungen und am Fernsehen fast keine Beachtung findet? Wie kommt es, dass die modernen Denker es kaum kennen?
Die Bibel hat auf solche Fragen eine einfache Antwort: Gott will uns durch seine heiligen Schriften Anteil geben an einem Geheimnis. Aber es soll ein Geheimnis bleiben. Gott will, dass wir seine Gedanken mitdenken und uns seinen Absichten anschliessen können. Aber er will nicht, dass wir dadurch hochmütig werden. Darum schenkt er uns sein Wort in einer äusserlich unscheinbaren, ja, verächtlichen Gestalt. Nach seiner Auferstehung hat sich Jesus unerkannt zu zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus gesellt und hat ihnen die heiligen Schriften erklärt. Sie hatten sie schon oft gelesen. Jesus aber hat ihnen dargelegt, wie alles mit ihm zusammenhängt. Da hat es in ihren Herzen gebrannt. Die heiligen Schriften beginnen erst zu leuchten, wenn uns Jesus auf unserem Lebensweg das Herz auftut für ihr Geheimnis.
Der Name Gottes
Im Alten Testament wird Gott mit einem Namen genannt, der dem Volk Israel derart heilig war, dass man ihn nicht ausgesprochen hat. Wo im hebräischen Bibeltext die vier Konsonanten für den Namen Gottes standen, hat man stattdessen einen Titel gelesen, «der Herr» («Adonai»). Später hat man zu den Konsonanten des Gottesnamens die Vokale dieses Titels gesetzt (und noch später hat man das vermischt und hat die Konsonanten des unausgesprochenen Gottesnamens und die Vokale des Titels «der Herr» zusammen gelesen und gemeint, der Name Gottes laute «Jehova»). Wo im hebräischen Alten Testament die Buchstaben für den Gottesnamen stehen, steht in der griechischen Übersetzung der Titel «der Herr» («Kyrios»). In vielen deutschen Bibelübersetzungen steht an dieser Stelle das Wort HERR in Grossbuchstaben. Im Neuen Testament aber ist das Unerhörte geschehen: Paulus, ein Jude, der wusste, wie heilig der Namen Gottes ist, schreibt: Gott hat diesen unaussprechlichen Namen Jesus gegeben. Jesus ist «der Herr»! Er trägt den Namen, den kein Frommer in Israel in den Mund zu nehmen wagte. Der unsichtbare Gott hat mit Jesus ein Gesicht bekommen. Gott selber hat ein Bild von sich gemacht.
Das ist der Grund, warum die Bibel nicht nur sachliche Informationen bieten will. Gott will, dass wir ihn kennen – und dass wir ihm zu vertrauen lernen. Er aber ist keine «höhere Macht». Er sagt «Ich» und er sagt «Du» wie niemand sonst. Er ist eine Person. Durch viele verschiedene Personen mit ihren unterschiedlichen Charakteren will er sein persönliches Wort an uns richten. Aussergewöhnlich hoch begabte und unscheinbar treue Menschen nimmt er dazu in seinen Dienst. Auch dich will er frei machen, dass du zu dem wirst, was du sein sollst: Eine Persönlichkeit, die mit eigenen Gedanken, Gefühlen und Willensentscheidungen hineinwächst in das, was Gott von dir getan und erlitten haben will.
Frans Hals, um 1620, Lesender junger Mann