6. 1 Bekennen oder verleugnen

Bekennen oder verleugnen

Pontius Pilatus hat gefragt: „Was ist Wahrheit?“ Und hat dem schreienden Volk nachgegeben und den Unschuldigen verurteilt. Wer sich übt in der Kunst der Skepsis, kann alles relativieren. Gegen jedes Argument findet er ein anderes und kann sich allem entziehen, was die Menschen erregt im Kampf um die wahre Erkenntnis. Das ist bequem. Aber ehrlos. Es macht uns zum Spielball der Moden und zu verachtens­werten Mittätern. Denn jeder Mensch hätte lieber keine Probleme. Jeder lässt darum dem Unrecht den Lauf, wenn er das entschuldigen kann, und macht mit bei dem, was die Mächtigen wollen, auch wenn es nicht recht ist.

Stephanus aber und viele nach ihm haben die heiligen Schriften gekannt und haben mutig Zeugnis gegeben für das, was diese festhalten. Und Sokrates hat den Giftbecher getrunken und damit seinen Schülern gesagt: Man muss die Wahrheit suchen, und wenn etwas wahr ist, muss man sein Leben dafür einsetzen. Es ist nicht alles relativ. Sonst wäre das die absolut lieblose Wahrheit.

In Wahrheit aber ist Jesus die Wahrheit! Er ist nicht losgelöst von allem, sondern eingebunden in die Geschichte seines Volkes und das Schicksal aller Menschen. Er darf von uns erwarten, dass wir uns zu ihm bekennen. Wo wir gefragt sind, dürfen wir nicht so tun, als seien wir nicht getauft und hätten nichts von ihm gelernt. Sonst wird auch er nicht für uns einstehen vor seinem Vater im Himmel.

Die Formulierungen der Glaubensbekenntnisse und die Gebetsrufe im Gottesdienst helfen uns dabei. Sie führen uns hinein in das, was die Generationen vor uns aus dem Evangelium geschöpft haben und was jetzt rund um die Welt viele mit uns bekennen. Wir dürfen nicht nur über das reden, was wir selber erlebt haben und spüren. Wir bezeugen nicht unseren «persönlichen Glauben». Wir tun viel mehr: Wir stim­men ein in das, was Gottes Wort für alle sichtbar und greifbar vorgibt. Nicht unsere Entscheidung, unsere re­li­giöse Erfahrung oder unsere persönliches Erleben sind das Grundlegende! Sonst machen wir unsere Person zum Massstab und werden selbstgefällig, rechthaberisch, lieblos.

Menschliche Meinungen und Gottes Wahrheit

In unserer modernen Welt werden viele Meinungen von den sogenannten Medien gemacht. Zeitungen und Radio- und Fernsehsendungen greifen einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit heraus und meinen, alle sollten das zur Kenntnis nehmen. Im Internet aber kann jeder Bilder veröffentlichen und anklicken, was ihm gefällt. – Doch wer ist bereit, für die so gemachten Meinungen sein Leben einzusetzen? Wie können wir zusammen schwere Aufgaben bewältigen, wenn jeder nur noch das zur Kenntnis nimmt, was ihn in seiner Liebe zu sich selber bestätigt?

Rechte und falsche Toleranz

Jesus hat sich nicht durchgesetzt mit Gewalt. Er hat seine ersten Boten «wie Schafe unter die Wölfe» geschickt. Darum dürfen auch wir niemandem den Glauben aufdrängen mit List oder Gewalt. Auch Schädliches und Unrechtes müssen wir tolerieren. Nicht stillschweigend, gutgläubig und weil es am einfachsten ist so! Auch nicht, weil alle im Grunde dasselbe Gute wollen (wie viele Dichter uns mit rühr­seligen Märchengeschichten glauben machen möchten). Sondern so, dass wir gegen alles nur schöne Reden an das Gute erinnern, mit dem Jesus das Böse überwindet.

 

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Inschrift im Theater von Caesarea mit dem Namen des römischen Statthalters Pontius Pilatus