Die Zehn Gebote
Durch Mose hat Gott dem Volk Israel die Zehn Gebote gegeben. Sie bestehen aus zwei Tafeln.
Auf der ersten Tafel geht es um Gott. Weil er sich den Menschen zu fassen gegeben hat, müssen die drei ersten Gebote ihn schützen: Er will nicht so verehrt werden, dass er mit anderen Mächten vermischt und ihnen gleichgestellt wird. Er will nicht, dass Bilder und Vorstellungen von ihm ihn lieblos und lächerlich machen. Er will nicht, dass sein Namen missbraucht wird mit Fluchworten oder scheinheilig falschen Versprechen. Mit dem vierten Gebot aber gibt Gott dem Leben seines Volkes einen wohltuenden Rhythmus. Die Arbeit und die Ruhe haben ihre Zeit. Und das Gedenken an Gottes Werke macht die Mühe und die Freude heilig.
Auf der zweiten Tafel steht geschrieben, was die Menschen schützt vor gegenseitigem Unrecht. Was diese Gebote sagen, gilt bis heute bei allen Völkern. Alle Lehrer des Rechts fordern es: Keiner soll tun, was er nicht möchte, dass ein anderer es ihm antut. Und jeder soll Respekt haben vor dem, was Vater und Mutter getan und gelitten haben und ihren Kindern mitgeben wollen.
Jesus hat das zusammengefasst mit dem Doppelgebot der Liebe: Gott sollen wir kritiklos, von ganzem Herzen und mit allen Kräften lieben. Unseren Nächsten aber sollen wir so lieben, wie wir uns selber vernünftigerweise lieben: Nüchtern und kritisch. Kein Mensch ist nur liebenswert.
Es sind insgesamt nur zwei Gebote und acht Verbote. Sie fordern nicht viel, nichts Unmögliches. Und doch: Wer hat diese Gebote alle gehalten?
Erkenntnis der Sünde
Wir Menschen reden gern von dem, was andere nicht gut machen, und übertreten doch selber die Gebote, von denen wir zugeben, dass sie gut sind. Wir haben grosse Träume von einer gerechten Welt und tun doch im Kleinen, was nicht recht ist. Wenn wir in den Spiegel der Zehn Gebote schauen und ehrlich sind, merken wir: Nicht nur die anderen sind schuld daran, dass vieles nicht gut geht. Die Bibel beschreibt uns Menschen mit einem unangenehmen Wort: «Ich bin als Sünder geboren», klagt David, nachdem der Prophet Nathan ihn dazu gebracht hatte, sich selber das Urteil zu sprechen, weil er die Ehe gebrochen und den treuen Soldaten Uria in den Tod geschickt hat. Verzweifelt musste David erleben: Meine Schuld stürzt meine Kinder ins Unheil.
Durch das Gesetz, schreibt der Apostel Paulus, können wir erkennen, was sonst ein Rätsel bleibt: Die schleichende, alles verderbende Macht der Sünde. Sie ist nicht nur ein Schicksal. Wir wissen, was gut und was böse ist. Und trotzdem verharmlosen wir das Unrecht, witzeln darüber, verdrängen und entschuldigen es – bis ein klares Wort es aufdeckt und Gott uns gnädig ist, so dass wir uns schämen und das Unrecht wahrhaft bereuen können.
Die heiligen Schriften Israels decken auf, was noch unheimlicher ist: Die Sünde erregt den Zorn Gottes und bewirkt, dass er sich verbirgt und sein Volk den Mächten dieser Welt überlässt.
Rembrandt van Rijn: Mose zerschlägt die Gesetzestafeln